Nachlese: Berlin Cadet European Cup 2023

Am vergangenen Wochenende, dem 14./15. Oktober 2023 gab es jede Menge Judo und Emotionen: Nach mehr als vier Jahren Pause fand der Berlin Cadet European Cup im Sportforum Berlin wieder statt.

Das sportliche Geschehen

In einem etwas kleinerem Feld als aus der Vergangenheit gewohnt, mit 386 Teilnehmern aus 24 Ländern, konnten die deutschen U18-Judoka (154 Teilnehmer) nicht nur zahlenmäßig dominieren: Mit fünf Titeln, insgesamt 16 Medaillen und 20 weiteren Platzierungen belegte Deutschland den ersten Platz im Medaillenspiegel. Trotz der Dominanz war es keineswegs ein Spaziergang für die späteren Medaillengewinner: Wer ganz oben stehen wollte, musste mindestens einen international erfahrenen Athleten und einige unbekannte Gesichter besiegen. Dementsprechend endeten die Kämpfe im Finalblock auch sehr emotional: Viele Nachwuchsathleten erkämpften ihre erste Medaille auf EJU-Ebene. „Dieses Jahr ist es etwas kleiner“, ordnet U18-Bundestrainer Christopher Schwarzer das Geschehen ein. Er ist dennoch sehr zufrieden: „Berlin bleibt ein prestigeträchtiger Europacup. Für die U18 und die U21 ist das ein sehr würdiger Rahmen. Es ist schon etwas Besonderes. Viele Trainerkollegen, auch aus dem Ausland, haben hier auch schon gekämpft. Eine Teilnahme gehört zur Sportlerkarriere dazu.“ In diesem Jahr war Berlin kein Turnier vor den Saisonhöhepunkten. Es hat aber seinen Platz gefunden als Vorbereitung für die nächste Saison. Denn im April, so sind sich viele Akteure sicher, werden mehr als doppelt so viele Teilnehmer um die Medaillen beim Berlin Cadet European Cup 2024 kämpfen. In diesem Jahr konnten unsere Berliner Judoka zum deutschen Medaillenspiegel eine Gold- und eine Bronzemedaille beisteuern.

GOLD FÜR TABEA

Tabea Nika Mecklenburg (Polizei SV) vergoldete ihre U18-Saison mit dem Sieg in der Klasse bis 52 Kilo in ihrer neuen sportlichen Heimat. Die 17-jährige erzählt: „Ich habe mich sehr über die Goldmedaille gefreut. Nach dem die WM nicht so gut lief, konnte ich zeigen, dass ich in der 52 auch ganz vorne dabei sein kann.“ Daran ließ sie direkt in den ersten Kämpfen keinen Zweifel. Mit zwei vorzeitigen Siegen zog sie direkt ins Halbfinale ein. Die größte Herausforderung kam im Duell gegen die Erstgesetzte Ciska Adema aus den Niederlanden. Trotz zweier Strafen konnte sich Tabea einen entscheidenden Waza-ari sichern. Ihr Trainer Kevin Kissk vom Polizei SV, kommentierte den Kampf seiner Sportlerin: „Die amtierende Vize-Europameisterin hat gegen Tabea im Vergleich zu den Vorkämpfen komplett ihre Linie und Eröffnung verändert. Am Ende hat Tabea das clever gelöst und konnte ins Finale einziehen.“
Im Finale besiegte sie entschlossen Klara Erten, die wie Tabea zum diesjährigen EYOF- und WM-Aufgebot gehörte, allerdings in der 48-Kilo-Klasse. Die Goldmedaille ging somit an die Neu-Berlinerin. „Es war ein schöner Abschluss in der U18. Ich fand es total cool hier zu kämpfen“, berichtet Tabea selbst über den Europacup, „Meine Eltern waren da. Generell viele Leute, die ich kannte. Mich haben viele am Tag unterstützt. Und es waren auch ganz viele aus meinem neuen Verein Polizei SV da. Das war eine extra Motivation. Immer wenn ich gekämpft habe, haben sich voll viele gefreut und mich unterstützt. Im Finale haben mich alle lautstark angefeuert.“ Kevin Kissk betreute sie als Coach an der Matte: „Es war mein erster Wettkampf, wo Kevin mich gecoacht. Das hat gut funktioniert und Spaß gemacht.“ Trainer Kevin Kissk zeigte sich ebenfalls zufrieden: „Eine Medaille in Berlin war das ausgeschriebene Ziel. Mit der EYOF-Medaille hatte Tabea schon gezeigt, dass sie in ihrer neuen Gewichtsklasse um die Medaillen mitkämpfen kann“, erzählt er von den möglichen Erwartungen, „Wir hatten einen Plan und der wurde konsequent umgesetzt. Vor allem mit den Inhalten, an denen wir in den letzten Wochen viel gearbeitet haben. Am Ende des Tages war es eine super Leistung von Tabea.“

ÜBERRASCHUNG DURCH ELINA / STARKER AUFTRITT VON HELKE UND NIKOLAOS

Elina Prüsse (SC Lotos Berlin) sorgte für die größte Überraschung aus Berliner Sicht. In ihrer Klasse über 70 Kilo war das Teilnehmerfeld sehr überschaubar, aber auch mit einer WM-Dritten aus Polen und einer international erfolgreichen Kirgisin gespickt. Für die 15-jährige Berlinerin galt es erste Erfahrungen zu sammeln. Zuletzt lag der Schwerpunkt auf den Bundessichtungsturnieren der U16 und U17. Doch Elina konnte den Heimvorteil für sich nutzen und besiegte eine Italienerin im Viertelfinale sowie eine Niederländerin im Bronzekampf. Im Halbfinale war sie der besagten WM-Dritten Zuzanna Banaszewska klar unterlegen.

Einen fünften Platz in der Klasse bis 48 Kilo erkämpfte Helke Ridderskamp (BC Senshu). Einige internationale Erfahrungen konnte Helke in diesem Jahr schon sammeln. Beim Heim-Europacup kämpfte sie stark und konnte zwei Kämpfe im Golden Score gewinnen. Auch im verlorenen Auftakt- und im späteren Bronzekampf im Finalblock war sie gegen die erfahrenere internationale Konkurrenz nicht chancenlos und verkaufte sich teuer. „Nach den Auftaktniederlagen bei den Europacup-Turnieren in Zagreb und Teplice habe ich mich sehr gefreut, dass Helke den Schritt in den Finalblock geschafft hat“, berichtet Henry Ballaschk, der Landestrainer der U18-Frauen.

Ein Debütant auf EJU-Level war auch Nikolaos Kalmoukidis (BC Randori). Dritter bei den Deutschen U18-Meisterschaften in Leipzig und Fünfter bei den Bremen Masters fehlten dem gebürtigen Berliner lange die Papiere, um für Deutschland international an den Start zu gehen. Beim Heim-Europacup verkaufte er sich gut. Nach zwei Siegen in der Vorrunde war er im Halbfinale dem späteren Sieger Mateusz Wacko aus Polen physisch unterlegen. Um Bronze unterlag Nikolaos einem weiteren Gegner aus Polen.

Auf der Wettkampfmatte leistete auch IJF-B-Kampfrichterin Karin Schuncke (Polizei SV) eine überzeugende Arbeit. Sie durfte an beiden Wettkampftagen jeweils eine Finale leiten.

 

 

 

STARK VERKAUFT, TEILWEISE ÜBERFORDERT UND GEHEMMT

 
 

Der eine oder andere Außenstehende hätte sich vom großen Hauptstadt-Aufgebot mehr erhofft. Für die Berliner Zuschauer vor Ort war es dennoch ein aufregendes Wochenende voller sportlicher Leistungen. Und ob Erfolg oder Niederlage, für alle Teilnehmer war es eine wertvolle Wettkampferfahrung für die Zukunft.

     Henry Ballaschk mit E. Prüsse

 Henry Ballaschk zeigte sich mit drei von neun Kämpferinnen im Finalblock sehr zufrieden: „Alle haben sich stark verkauft. Der EC war eine tolle Motivation für die nächsten Wettkämpfe und ein toller Meilenstein, um Erfahrung zu sammeln. Die Stimmung und die Unterstützung während des Wettkampfes waren toll. Ein großes Lob an das Team, dass alles so super geklappt hat.“

Frank Möller mt N. Kalmoukidis

Sein Trainerkollege Frank Möller, Landestrainer U18-Männer, lobte ebenso die Veranstaltung: „Ich bin sehr froh, dass wir wieder einen U18-Europacup in Berlin hatten und auch viele Nationen da hatten. Es war ein sehr guter Wettkampf, sehr gut organisiert.“ Auch wenn er sich mehr gewünscht hätte als einen fünften Platz im männlichen Bereich, kannte er die Ausgangslage: „Die Berliner Athleten waren teilweise überfordert, da sie das erste Mal bei so einem EC kämpfen konnten. Einige der jüngsten Jahrgänge haben reingeschnuppert. Und dann sind bei so einem Wettkampf auf einmal Eltern und Freunde und so … Einige haben sehr gehemmt gekämpft.“ Für Frank Möller ist die weitere Planung klar: „Wir müssen mehr, mehr internationale Turniere anfahren. Wir müssen mehr an internationalen Trainingslagern teilnehmen. Um unsere Athleten, die wir haben, und die auch wollen, nach vorne pushen zu können.“ Für beide Landestrainer hat der Heim-Europacup aufgezeigt, welche nächsten Schwerpunkte sie mit ihren Schützlingen setzen werden.

Beim Trainingscamp werden derzeit weitere Eindrücke gesammelt und die ersten Hausaufgaben erledigt. Mit mehr als 400 Teilnehmern ist die große Halle im Sportforum Berlin bis zum Mittwochmittag noch sehr gut besucht. Sogar die Frauen der britischen Nationalmannschaft sind extra angereist und nutzen das U18-Camp in Vorbereitung auf den Grand Slam in Abu Dhabi nächste Woche bzw. auf die Europameisterschaften in Montpellier Anfang November.

Die Wettkampforganisation

Viele Ehrenamtliche haben für einen reibungslosen Ablauf am Wochenende gesorgt. Organisationsleiter Hendrik Haase kann auf eine gelungene Veranstaltung zurückblicken. Viele Stunden Vorbereitung wurden in den Berlin Cadet European Cup 2023 gesteckt. Die Leiter der verschiedenen Bereiche waren sehr zufrieden. Unser Berliner Kampfrichterteam hatte unter anderem die Judogi-Kontrolle und das Care-System mit weiteren Kampfrichtern der Gruppe Nord-Ost wie gewohnt im Griff. Für die medizinische Betreuung gab es vier Ärzte und vier Sanitäter. In verschiedenen Bereichen haben weit mehr als 20 Volunteers mitangepackt. Die Mitarbeitenden und das Präsidium des Deutschen Judo-Bundes haben die Ausrichtung mit unterstützt. Weitere Externe haben den Berliner Europacup mit ihrer Expertise aus verschiedenen Bereichen verstärkt. Für ein gelungenes Wochenende für die Athleten, Zuschauer, Trainer und Kampfrichter wurden im Hintergrund alles gegeben. Kleine Probleme konnten schnell gelöst werden, bevor sie zu großen werden konnten. Die Abläufe stimmten. Alle Bereiche haben sich gut koordiniert.

Andreas Hempel mit Stephan Bode
Metin Özkan EJU Kampfrichterkommission

 Das Geschehen auf der Wettkampfmatte hatte die EJU-Kampfrichterkommission, bestehend aus Metin Özkan und Andreas Hempel, im Blick. Mit der Veranstaltung zeigten sich die EJU-Sportkommissionäre Sergio Oleinic und Sugoi Uriarte sehr zufrieden. „Die Sports Commisioner haben in ihrer Auswertung gesagt, dass Berlin einer der besten Europacups war, die sie je besucht haben“, berichtet Organisationsleiter Hendrik Haase, „Auch die Trainer beim gemeinsamen Trainerabend haben uns gespiegelt, dass es ein tolles Event war und sie sich freuen, mit ihren Teams wiederzukommen.“ Das Lob gilt dem Team, das ganze Arbeit hinter den Kulissen geleistet hat.

H. Haase bei der Siegerehrung

Hendrik Haase bedankt sich auch beim Berliner Publikum: „Über 300 große und kleine Judo-Interessierte kamen jeweils an beiden Wettkampftagen in die Halle, um die Wettkämpfe live vor Ort im Sportforum Berlin zu sehen. Das war sehr schön für dieses etwas kleinere Event im Oktober. Das hat uns sehr gefreut.“ Auch viele Ehrengäste folgten der Einladung: Klaus Glahn als neuer DJB-Referent für die Dan-Gemeinschaft verfolgte gespannt die Wettkämpfe. Am Sonntag war zudem auch Thomas Härtel, Präsident des Landessportbundes Berlin, zu Gast.

Am Ende bleibt der Abschied von den Berliner Europacup-Turnieren in diesem Jahr: „See you next year in Berlin!“ Der Cadet European Cup findet am 13./14. April 2024 statt. Im Sommer ist der Junior European Cup am 27./28. Juli 2024. Die Termine können sich alle schon in ihrem Kalender rot markieren.

Wer das internationale Flair auf der Tatami in der Großen Halle im Sportforum Berlin noch in diesem Jahr erleben will: Vom 27. bis 30. Dezember 2023 findet das ITC Berlin statt. (im/fs)

Fotogalerie der Berliner Kämpfer*innen

Bilanz Berlin Cadet European Cup 2023

U18-Frauen (9 Starterinnen):
-44 kg: Stefanie Gregor (PSV Olympia Berlin) – 1 Niederlage;
-48 kg: Helke Ridderskamp (BC Senshu) – 2 Siege, 2 Niederlagen, 5. Platz;
-52 kg: Tabea Nika Mecklenburg (Polizei SV Berlin) –  4 Siege, 1. Platz 🥇; Hanna Plathe (JV Pankow) – 1 Niederlage;
-57 kg: Julia Beissenhirtz (Kaizen Berlin) –  1 Niederlage; Lisa Charlotte Dörr (PSV Olympia Berlin) –  1 Niederlage;
-63 kg:  Alessia Sophia Gherasudis (Polizei SV Berlin) – 1 Niederlage; Irina Kreidin (PSV Olympia Berlin) – 1 Sieg, 1 Niederlage;
+70 kg: Elina Prüsse (SC Lotos Berlin) – 2 Siege, 1 Niederlage, 3. Platz 🥉.

U18-Männer (16 Starter):
-50 kg: Natan Reimann Paulus (AC Berlin) – 1 Niederlage; Aldemar Schöneberg (Sport-Dojo Berlin) – 1 Niederlage;
-55 kg: Ben Cordes (Sportclub Berlin) – 1 Niederlage; Lenny Seifert (SFK ShidoSha) – 1 Sieg, 2 Niederlagen; Maxim Sterzer (SV Berlin 2000) – 1 Niederlage;
-60 kg: Barnabas Meißner (Arashi JKC) – 1 Niederlage;  Philipp Vogel (SV Berlin 2000) – 1 Sieg, 2 Niederlagen;
-66 kg: Abdurashid Abdullaev (BC Randori Berlin) – 1 Sieg, 1 Niederlage; Hannes Brückner (Judo-Club ’03 Berlin) – 1 Niederlage; Juri Sielaff (SFK ShidoSha) – 1 Niederlage
-73 kg: Georg Krämer (PSV Olympia Berlin) – 1 Niederlage; Nicolas Martini (Judo-Club ’03 Berlin) – 2 Niederlagen; Melvin Noack (Sportclub Berlin) – 2 Niederlagen
-90 kg: Nikolaos Kalmoukidis (BC Randori Berlin) – 2 Siege, 2 Niederlagen, 5. Platz; Lasse Tjark Schindler (SC Bushido Berlin) – 1 Niederlage
+90 kg: Finn Schulz (Schüler am SLZB, Blau-Weiß 21 Jarmen) – 1 Niederlage

Bilanz: 42 Kämpfe (12 Siege, 30 Niederlagen)