Nachlese – Kodokan Judo Kata Seminar 2025 in Berlin (18.-21. Oktober 2025)
Vom 18. bis 21. Oktober 2025 fand das inzwischen achte vom Judo-Verband Berlin e.V ausgerichtete Kodokan Judo Kata Seminar statt.
Astrid Machulik (6. Dan Kodokan) war es wieder gelungen, Motonari SAMESHIMA und Shuji OHSHIMA (beide 8. Dan Kodokan) von Tokio nach Berlin zu holen, um an diesen vier Tagen 123 Kata-interessierten Judoka aus Belgien, England, Griechenland, Israel, Luxemburg, Österreich, der Schweiz und Deutschland die Gelegenheit zu bieten, ihr Verständnis von fünf der sieben offiziellen Kata des Kodokan zu vertiefen und zu erweitern.
In diesem Jahr standen neben der Naga-no-kata, der Katame-no-kata, der Ju-no-kata und Kodokan Goshin-jutsu auch die Itsutsu-no-kata mit auf dem Programm.
Abgesehen von vielen Erläuterungen zur Einordnung einzelner Kata und detaillierter Erklärungen ihrer essenziellen Bewegungsmuster gaben die beiden Lehrer auch Hinweise zu aktuellen Entwicklungen bei der Ausführung von Techniken.
Bei Nage-no-kata wurde beispielsweise die Abfolge von Uki-goshi, Harai-goshi und Tsurikomi-goshi so erklärt, dass Uki-goshi die Lieblingstechnik (Tokui-waza) von Jigorō KANŌ gewesen sei, die er auch häufig einsetzte. Mit der Zeit sind seine
Trainingspartner jedoch mit einem Schritt als „Gegentechnik“ ausgewichen, woraufhin Kanō-shihan diesen Schritt mit seinem Bein verhinderte, woraus sich Harai-goshi ergab. Und den Konterversuchen zu Harai-goshi wurde dann wiederum mit Tsurikomi-goshi begegnet.
Bei Harai-goshi wurde unterstrichen, dass seit Kurzem aus Toris Sicht das Kuzushi gerade nach vorn und nicht schräg zur Seite erfolgt.
Zu Uchi-mata hat Herr Sameshima mit uns geteilt, dass er diesen Wurf von Ichirō ABE, Toshirō DAIGO und Yoshimi ŌSAWA (alle drei 10. Dan Kodokan) lernte, jede dieser Versionen sich von den anderen unterscheidet und auch jede davon wunderschön sei.
Bei Kodokan Goshin-jutsu wurde auf Freiheitsgrade und deren verschiedene Interpretationsversuche hingewiesen. Beispielsweise kann bei Kataude-dori Toris Fuß nach dem Yoko-geri entweder dicht am Standbein oder von diesem in Bewegungsrichtung weg abgestellt werden. Beide Varianten haben unterschiedliche Eigenschaften (bessere Stabilität vs. höhere Dynamik), die als Grundlage für eine Auswahl dienen können.
Auch wurde darauf hingewiesen, dass die oft bevorzugten 45 Grad nicht nur beim Ausweichen, sondern auch bei Halte- und Hebeltechniken (Osaekomi- und Kansetsu-waza) eine ausgesprochen wichtige Rolle bei der Destabilisierung und Kontrolle Ukes spielen.
Zu Ju-no-kata gab es viele interessante Einsichten wie zum Beispiel zur Bedeutung der von Tori zu Beginn von Uchi-oroshi durchgeführten kreisförmigen Handbewegung, die im Gegensatz zu verschiedenen Interpretationen außerhalb des Kodokan von Kano-shihan lediglich als Griff- und Dehnungsübung konzipiert wurde.
Auf die Frage nach dem Umgang mit Freiheitsgraden und deren Ausgestaltung in den einzelnen Kata erinnerten uns unsere Gäste an das Konzept des Shu-Ha-Ri, nachdem man auch beim Praktizieren der Kata Techniken, Konzepte, und Ideen zuerst in ihrer grundlegenden Form verinnerlicht, diese dann nach einem tiefen Verständnis an den eigenen Körper und konkrete Situationen anpasst, um sie im Anschluss losgelöst von einer konkreten Ausprägung zu verinnerlichen.
Wie auch in den vergangenen Jahren gelang es Sameshima-sensei und Ohshima-sensei, die Teilnehmenden nicht nur für die Breite der Kodokan Kata zu begeistern, sondern auch auf ihre reichhaltige Tiefe neugierig zu machen. Beide unserer Lehrer sehen das Unterrichten der Ideen des Kodokan Judo im Allgemeinen und der Kodokan Kata im Besondern als wichtigen Teil ihres Lebens (Ikigai) und freuen sich schon auf das nächste Seminar in Berlin als eine ihrer wichtigsten Veranstaltungen außerhalb Japans.
Herzlicher Dank gebührt Motonari Sameshima und Shuji Ohshima vom Kodokan für das tolle Training, dem Gesandten der japanischen Botschaft Yasuhiro KITAURA und der Leiterin der Geschäftsstelle des Judo-Verband Berlin e.V Angelique Simon für ihre Unterstützung dieses Treffens, Sylvie Bach für die detaillierte und reichhaltige
Simultanübersetzung aus dem Japanischen, Knut Feyerabend, Seyed Zafarani und Obba Lilian Kokott für die Begleitung der Veranstaltung, dem Sportforum Berlin und dem Sportclub Charis 02 e.V. für die Bereitstellung der Trainingsmöglichkeiten und vor allem Astrid Machulik für die großartige Organisation dieses Seminars. (Richard und Robert Hirschfeld / Fotos A. Machulik, H. Fungk, R. Hirschfeld)





