Bericht zum Kōdōkan Judo Kata Seminar 2024 in Berlin
Das Kōdōkan Judo Kata Seminar in Berlin fand dieses Jahr vom 19.-22. Oktober 2024 zum 7. Mal (6. Mal in Präsenz) statt. Es sind 3 Lehrer aus dem Kōdōkan Tokyo angereist: Sameshima Motonari (8. Dan), Ōshima Shuji (7. Dan) und zum ersten Mal auch Iwanaga Kento (5.Dan). Wie üblich war auch bei den Teilnehmenden ein internationales Publikum vertreten: Neben Deutschen und in Deutschland ansässigen Teilnehmern sind Personen aus folgenden Ländern angereist: Schweiz, Tschechien, Luxemburg, England und USA. Der Judo Verband Berlin, hier verkörpert durch seine Prüfungsreferentin Astrid Machulik (6. Dan Kōdōkan) ist Ausrichter der Veranstaltung. Gastgeber ist der Verein KiK. e.V. mit Sitz in der Franz-Mett Sporthalle Berlin.
Durch die seit Jahren fortgeführte Organisationsarbeit von Frau Machulik kommt das Seminar dem Ziel, Bewusstsein für Judo-Kata in Europa zu schaffen, langsam näher. Sameshima Motonari ist bereits das sechste Mal in Berlin und mit dem Bild der Teilnehmer hier sehr zufrieden. Die auftretenden Fragen und Probleme sei ganz ähnlich wie im Kōdōkan auch. Kata, so wiederholte er zur Seminareröffnung, sei neben randori, shiai (Wettkampf) und mondo (Dialog zwischen Schülern und Lehrern) und kogi (Vortrag) eine der 4 Säulen des Judo. Auch bietet Kata die Möglichkeiten, im vorangeschrittenen Alter weiterhin mit Interesse und einem Partner zu üben.
Teilnehmer des ersten Seminartages – Nage no Kata und Ne-Waza
Dieses Jahr wurde der Lehrgang zum ersten Mal in einer gänzlich parallelen Struktur durchgeführt – das heißt, dass an jedem der 4 Seminartage 2 Veranstaltungen gleichzeitig stattfanden. Für die insgesamt 8 Blöcke von jeweils 6 Seminarstunden standen 2 getrennte Dōjōs zur Verfügung. Nach der gemeinsamen Erwärmung haben sich die beiden Gruppen getrennt.
Kern des Seminars bildeten 5 mehr oder weniger weit verbreitete Kata: Nage no Kata, Katame no Kata, Kōdōkan Goshin-jutsu, Kime no Kata und Ju no Kata. Es war wie immer möglich nur an einem oder mehreren Tagen Teil zu nehmen. Insgesamt haben 116 Judoka teilgenommen, bei Nage-no-kata waren 53 Teilnehmer, bei Katame-no-kata 32 Teilnehmer, bei Kodokan Goshin-jutsu 18 Teilnehmer, bei Kime-no-Kata 11 Teilnehmer und bei Ju-no-Kata waren 28 Teilnehmer. Da ich aufgrund der Seminarstruktur nicht an allen Veranstaltungen teilnehmen konnte, sind im Folgenden auch einige Augenzeugenberichte im Text enthalten.
Hier zunächst eine Zusammenfassung von Astrid Machulik zum Kōdōkan Goshin-jutsu Block:
Kōdōkan Goshin-jutsu am 21.10.2024
Kōdōkan Goshin-jutsu – die Kata der modernen Selbstverteidigung – wurde von Ōshima Sensei und Iwanaga Sensei unterrichtet. In der Kōdōkan Goshin-jutsu werden Abwehrtechniken gegen unbewaffnete Angriffe und auch gegen Angriffe mit Waffen (Messer, Stock und Pistole) trainiert. Zuerst wurden die später einzusetzenden Hebeltechniken geübt, die Exaktheit und Effektivität der Technikausführung standen dabei im Vordergrund. Realitätsbezogene Angriffe und dessen Verteidigung wurden von den Teilnehmern erlernt bzw. vertieft. Am Ende des Tages demonstrierten Judoka aus Luxemburg die Kōdōkan
Goshin-jutsu vor den Teilnehmern des
Lehrganges.
Neben diesen 5 bekannteren und bereits in vergangenen Jahren unterrichteten Kata gab es in diesem Jahr eine weitere Neuerung – einen Block zum Thema Seiryoku-Zenyo-Kokumin-Taiiku. Diese von Kano Jigoro 1924 zur körperlichen und geistigen Ertüchtigung und zum Erlernen von Selbstverteidigungselementen entwickelte Kata wurde auf speziellen Wunsch hin zum ersten Mal bei einem Internationalen Kōdōkan Seminar unterrichtet. Zur Vorbereitung hat sich Dozent Iwanaga intensiv mit den in dieser Kata sachkundigsten Sensei aus dem Kōdōkan – übrigens meistens Frauen – über Monate hinweg ausgetauscht. Somit konnte er die Kata sehr gut einordnen, weitergeben und alle Fragen dazu beantworten.
Zwei weitere „Spezial“-Blöcke waren je ein Tag zum Thema Ne-Waza sowie zu Tachi-Waza, also Technikeinheiten welche eher Randori-Bezug hatten und ebenfalls von Iwanaga Sensei geleitet wurden. Der Hintergrund hierfür ist wohl, dass es Schade wäre, nicht auch vom tiefen und präzisen Wissen dieser großartigen Lehrer zu profitieren, wenn es um die Anwendung der Techniken geht. Für diese beiden Blöcke war die Rückmeldung der Teilnehmenden übrigens auch ausgezeichnet.
Im Ne-Waza Block wurden 3 verschiedene Varianten der „Ebi“-Bewegung und viele weitere Grundformen geübt. Die Grundbewegungen am Boden haben einen Sinn und sollten demnach nicht als reine Aufwärmübungen verstanden, sondern bewusst und mit entsprechenden Variationen geübt werden, um die Positionswechsel (tai-sabaki) am Boden möglichst effizient und flüssig zu machen, so Iwanaga. Bodenkampf zeichne sich zudem prinzipiell dadurch aus, dass beide Partner, also auch der der unten-liegende, zeitgleich angreifen und verteidigen müssten. Dies sei aber nur möglich, wenn beide einander zugewandt sind. Daher sei gutes Randori eines, bei dem auch der unten liegende Partner aktiv und dem anderen zugewandt sei, um eine Position des Angriffs herzustellen, statt passiv wie eine Schildkröte dazuliegen. Es wurden verschiedene Bodentechniken in der Anwendung geübt.
An dem Tachi-Waza Block konnte ich nicht teilnehmen, daher hier die Zusammenfassung von Frau Machulik:
Technik-Unterricht Tachi-waza am 22.10.2024
Am 22.10.2024 unterrichtete Iwanaga Sensei De-ashi-harai, Ko-uchi-gari, O-uchi-gari, Ō-soto-gari und Uchi-mata in unterschiedlichen Kontexten des Angriffs und der Verteidigung. Im Voraus wurden diese Techniken mit unterschiedlichen Uchi-komi-Formen trainiert. Iwanaga Sensei wies darauf hin, dass die Art des Kuzushi abhängig vom Partner ist. Gemeinsam und mit großer Freude trainierten wir die Techniken in unterschiedlichen Randori-Formen.
Zum Abschluss unterrichtete Iwanaga Sensei noch Tai-otoshi, Sukui-nage, Kibisu-gaeshi und Kuchiki-taoshi. Der Technik-Lehrgang bleibt allen Teilnehmern in lebendiger und schöner Erinnerung.
Hier ein weiterer Bericht von Frau Anja Binder, Dolmetscherin und Teilnehmerin, zu Nage- und Katame no Kata:
Vom 19. – 22. Oktober fand das Kōdōkan-Kata-Seminar in Berlin statt. Diesmal gab es ein noch umfangreicheres Programm, das ganze vier Tage auf zwei Dojos verteilt stattfand. Neben Sameshima-Sensei und Ōshima-Sensei war erstmalig Iwanaga-Sensei dabei. Er war u.A. zuständig für die Seiryoku-Zenyo-Kokumin-Taiiku, die erstmals in Berlin gelehrt wurde.
Das Aufwärmen erfolgte zusammen im großen Dojo. Auch hier gab es bereits theoretische Ergänzungen: Beim Ukemi übe man das Verlieren. Selbst wenn man verliert, soll man den Respekt gegenüber dem Gegner bewahren. Des Weiteren mögen manche zwar sehr erfolgreich im Kämpfen sein, haben jedoch die Logik und Prinzipien hinter den Würfen noch nicht in Gänze verstanden. Dieses lässt sich durch die Kata erlernen, wodurch man wiederum seine Skills im Randori verbessern kann.
Bei der Nage no Kata, geleitet von Sameshima-Sensei, lag dieses Mal neben der Praxis ein Schwerpunkt auf der Erläuterung der Theorie. Beispielsweise würde anhand der Maemawari-ukemi (Vorwärtsrolle) bereits das Judo-Level des Ausführenden sichtbar. Diese gut zu können sei essenziell für eine saubere Ausführung der Nage no kata. Es wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass es nicht darum geht, sich die Videos von Kata-Weltmeistern anzuschauen und zu versuchen dieselben Bewegungen zu erlernen. Lediglich die Bewegungen zu imitieren, ohne die Logik und die Prinzipien dahinter verstanden zu haben, stelle noch keine schöne Kata dar.
Die Katame no Kata wurde von Ōshima-Sensei geleitet. Zur Sprache kam beispielsweise das Prinzip des „Meri-hari“ (sinngemäß „entspannen – anspannen“). Es beschreibt in der Kata die Variation in der Dynamik der Ausführung. Es geht nicht nur um darum, eine saubere Technikabfolge vorzuzeigen, sondern z.B. auch darum, kurze Momente des Blickkontakts mit Uke einzubauen, bzw. den Blickwechsel vom peripheren Blick während der Annäherung an Uke hin zum fokussierten Blick in Uke´s Gesicht nach dem Ankommen deutlich zu zeigen.
Zum Abschluss gab es eine Demonstration der Katame no Kata von Teilnehmenden, u.a. auch von einem ID-Judo-Paar.
Am Ende verdeutlichte Sameshima-Sensei, dass man im Judo sein Gegenüber besiegt, indem man ihn zugleich vor Verletzungen beschützt. Das lässt sich in der Kata mit den aufeinander abgestimmten Bewegungen gut üben.
Wie auch in den vorigen Jahren sprach der Gesandte der Japanischen Botschaft in Berlin, Herr Kitaura Yasuhiro, dieses Jahr wieder ein Grußwort an die Teilnehmenden und Lehrer. Zudem kamen Thomas Jüttner, Präsident des JVB, der Amtsleiter für das Schul- und Sportamt vom Bezirksamt Mitte Herr Dr. Schreiner und Frau Ersik. vom Sportamt Berlin.
Auch wir danken den Teilnehmern und allen Helfern der Veranstaltung, ein Dank geht auch an Knut Feyerabend, der erneut dabei war und das Seminar weiterhin unterstützt, ebenso ein Dank an Anja Binder und Maxim Paul, die als Übersetzer für den Lehrgang fungierten. Ein besonderer Dank geht an dem Präsidenten Uemura und den Dozenten des Kōdōkan Tokyo.
Die Organisation des Lehrganges lag in den Händen unserer Prüfungsreferentin Astrid Machulik. Auch an sie ein großes Dankeschön für das unermüdliche Engagement . Die Resonanz unter den Teilnehmern bestätigt, dass das Konzept tragfähig ist. Die Planung für das nächste Seminar ist im vollem Gange. (von Maxim Paul)