Das Berliner Kōdōkan Judo-Kata-Seminar – auf dem Weg zu einer Institution im europäischen Judo

Vom 3. bis zum 6.11. wurde in Zusammenarbeit des Judo Verbandes Berlin mit dem Kōdōkan Tōkyō und das Berliner Judo-Kata-Seminar nach 2-jähriger Pause wieder in Präsenz durchgeführt. Im letzten Jahr war es eine online Veranstaltung.

(v.l.n.r. Astrid Machulik, Martin Francke, Sameshima Motonari, Knut Feyerabend, Kitaura Yasuhiro, Jörg Dommel, Ohshima Shuji, Marcus Hoffmann, Andreas Härtig, Maxim Paul, Reinhardt Bunk)

Bereits als Kernbesetzung für den Workshop kann Sameshima Motonari (8.Dan Kōdōkan), ehemaliger Trainer der japanischen Frauen Nationalmannschaft und derzeit Kata-Spezialist aus dem Kōdōkan Tokyo gelten. Unterstützt wurde er dieses Mal von Ohshima Shuji (7.Dan Kōdōkan), Weltmeister in der Nage no kata und Judo Lehrer am Kōdōkan.

Es wurde mit insgesamt über 156 Teilnehmern auf vier Tage verteilt, die bisher höchste Teilnehmerzahl erreicht. Teilnehmer kamen aus 12 Ländern: Luxemburg, Schweiz, Tschechien, Griechenland, Österreich, Iran, Polen, Türkei, Italien, Georgien, Russland und Deutschland, einige blieben für alle vier Tage.

(Koshiki no Kata)

 

 

 

 

 

Mit der Koshiki no kata startete das Seminar mit einer der schwersten der 7 offiziellen Kata des Kōdōkan. Für diese hat Kanō Jigirō traditionelle Techniken aus der Kito-Schule umgearbeitet, um diese in der Kata am Leben zu erhalten. Die Ausführenden tragen eine imaginäre Samurai- Rüstung (yoroi), und führen 21 Techniken nacheinander aus. Ablauf und korrekte Ausführung sind also gleichermaßen herausfordernd und natürlich sind 6 Stunden gerade genug, um den Ablauf und die wichtigsten Grundprinzipien herauszuarbeiten.

Kleiner Exkurs zur Übersetzung der Techniken

An diesem Tag hat Sameshima Sensei, der auch Meister in japanischer Kalligraphie (Shodō) ist, als „Bonus“ in der Mittagspause die 42 Schriftzeichen (Kanji) der 21 Techniken in perfekter Schönschrift auf deutschen Servietten geschrieben und an die Wand geheftet. Diese wurden dann kurz übersetzt und auch besprochen, sofern die Herleitung möglich war.

Nage– und Katame no kata, die beiden Randori no kata, waren mit 64 und 48 Teilnehmern sehr gut besucht. Selbst bei einer vollen Matte gab es beim Training in der historischen Sporthalle in der Gormannstraße keinerlei Zusammenstöße. Für die Katame no kata übernahm Ohshima Sensei die Leitung, wobei Sameshima Sensei auch einen kleinen Exkurs zu Happō, der Wiederbelebung bei Bewussteinsverlust durch Abwürgen, einbaute.

(Katame-no-kata)

Mit der Ju no kata fand das Seminar mit 73 Teilnehmern seinen Abschluss. Die zunächst abstrakt erscheinenden Techniken lassen sich ohne Einschränkungen an alter und Konstitution üben, selbst ohne Judo-Gi. An diesem Tag hat, wie auch in den vorigen Jahren, ein Gesandter der japanischen Botschaft in Berlin die Veranstaltung mit Interesse verfolgt, Kitaura Yasuhiro, richtete auch ein herzliches Grußwort an die Teilnehmenden.

An jedem der vier Seminartage waren auch Kata-Wettkämpfer unter den Teilnehmern, die die Kata auf hohem Niveau präsentieren konnten. Am Ende jedes Tages konnten Freiwillige am Ende die Kata vorführen und eine Einschätzung der Lehrer erhalten. Durch wiederholtes Verfolgen der Vorführungen werden auch die Betrachter geschult und für den Autor ergab sich der Eindruck, ein „lebendiges Lehrbuch“ zu studieren.

Die vielen Fragen zur korrekten Ausführung der Kata wurden zwar beantwortet, jedoch betonten die Lehrer ebenfalls, dass es individuellen Spielraum gäbe und die Kata an die äußeren Bedingungen sowie die persönlichen Umstände angepasst werden solle.

So sind in kleineren Räumen vielleicht weniger Schritte möglich und die Schritte, die es für eine korrekte Kuzushi-Phase vor dem Wurf (Kake) braucht, können ebenfalls variieren. Es ginge, so Sameshima Sensei, viel mehr darum, die in der Kata enthaltenen Prinzipien herauszuarbeiten und zu demonstrieren. Man solle Kata also nicht zu formal betrachten, sondern sich auf die Inhalte und den Gesamteindruck konzentrieren. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu Kata-Wettkämpfen, wo die Kampfrichter schon bei kleinen Abweichungen Punktabzug geben können. Doch häufig wiederholt von Sameshima Sensei, sagte er sinngemäß: „Wir wollen hier keine Medailliengewinner hervorbringen, sondern Kata lernen.“

(Abschlussfoto des dritten Tages, Nage no kata)


Besonders Anfänger sollten zuerst den Ablauf im Ganzen üben, dann die Bewegungen im richtigen Rhythmus ausführen und schließlich mit voller Kraft und Energie. Letztendlich, so Sameshima, verstehe man die Techniken letztendlich nur, wenn Uke einen gewissen Widerstand aufbringt. So in der Nage no kata: „Nur weil Uke verteidigt, kann Tori ihn werfen“. Natürlich muss dafür zunächst der Grundablauf stimmen, der am besten langsam und ohne übermäßige Spannung geübt werden sollte. Immer wieder wurden die Judoka auch dazu ermutigt, selbst den Sinn hinter den Bewegungen zu suchen, sich Fragen zu stellen und in Zukunft eigene Kata zu entwickeln.

Insgesamt lobten die Lehrer sowohl die hohe Teilnehmerzahl wie auch das Niveau, selbst in Japan sei diese Menge Kata-Praktizierender auf dieser Stufe selten anzutreffen. Somit hat sich das Berliner Judo-Kata Seminar, organisiert von Astrid Machulik, Prüfungsreferentin und Kata-Beauftragte des JVB und 6.Dan Kōdōkan, als feste Größe in der Europäischen Judo-Szene etabliert.