Mittwoch, Oktober 15, 2025
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Nachlese zum viertÀgigen Kata-Seminar in Berlin

Vom 4. – 7. November 2023 fand nun schon traditionell das viertĂ€gige Kodokan Kata-Seminar statt.  Auch in diesem Jahr lies es sich Sameshima sensei nicht nehmen wieder in Berlin dabei zu sein. Er ist von Anfang an dabei. 
Auch in diesem Jahr kamen die Teilnehmer*Innen aus sieben LĂ€ndern und dem ganzen Bundesgebiet.Es ist das vierte Mal, dass ich fĂŒr Sameshima Motonari (8.Dan Kƍdƍkan) beim Kƍdƍkan Kata Seminar ĂŒbersetzt habe. Sameshima war das bereits fĂŒnfte Mal in Berlin, Shuji Ìshima (7.Dan Kƍdƍkan) war das zweite Mal dabei. Wie auch zuvor wurde das Seminar von Astrid Machulik (6.Dan Kƍdƍkan), PrĂŒfungsreferentin des JVB, organisiert. Wie auch im letzten Jahr hat sie mich gebeten, einen kleinen Beitrag dazu zu schreiben.

Die vier Kata waren diesmal: Nage no Kata, Kƍdƍkan Goshin-jutsu, Katame- und JĆ« no Kata.
Teilnehmer kamen aus der Schweiz, Großbritannien, Griechenland, Frankreich, Tschechien, Österreich, Chile und unterschiedlichen BundeslĂ€ndern Deutschlands. Das Seminar fand vom 04.11.-07.11.2023 in Berlin statt.

Der grundsĂ€tzliche Ablauf eines Seminartages ist immer Ă€hnlich: Nach einer Kata-spezifischen ErwĂ€rmung und einer kurzen EinfĂŒhrung werden die Techniken einzeln von den Lehrern oder gelegentlich auch fortgeschrittenen SchĂŒlern demonstriert. Dabei werden die wichtigsten Punkte bereits genannt, anschließend wird paarweise geĂŒbt. Die Lehrer machen wĂ€hrenddessen ihre Runden, sind bei Fragen stets ansprechbar und geben Hinweise zur AusfĂŒhrung. Des Öfteren wiederholt Sameshima Sensei auch eine Technik, um bestimmte wichtige Punkte zur AusfĂŒhrung zu unterstreichen oder beobachtete Fehler aufzuzeigen, dann wird erneut geĂŒbt. Immer wieder baut Sameshima Sensei hier auch allgemeinere ErklĂ€rungen ein, gibt Hintergrundinformationen zur Kata und erklĂ€rt sein VerstĂ€ndnis von JĆ«dƍ. Wenn die Kata komplett durchgegangen wurde, gibt es eine freie Trainingszeit, um die gesamte Kata am StĂŒck zu ĂŒben. Am Ende eines Tages wird die jeweilige Kata von einem oder mehreren Freiwilligen vorgefĂŒhrt und zum Abschluss werden die Teilnahmeurkunden vergeben.

Vier Tage – vier Kata – hohes Niveau in der Franz-Mett-Sporthalle

Der Seminarinhalt entspricht dabei dem, was auch im Kƍdƍkan-Summer Course „Kata“ unterrichtet wird, wie Sameshima Sensei betonte. Der Sommerkurs ist fĂŒr MĂ€nner ab dem 4. Dan und fĂŒr Frauen ab dem 2. Dan möglich. Das er hier die gleichen Inhalte vermittele und mit den gleichen Fragen und Problem konfrontiert werde, zeuge vom hohen Niveau, dass die Übenden hier bereits erreicht haben, so Sameshima. Das ist insofern bemerkenswert, als er die derzeit höchste AutoritĂ€t fĂŒr Nage- und JĆ« no Kata im Kƍdƍkan ist und somit auch die Richtlinien zur AusfĂŒhrung bei WettkĂ€mpfen festlegt. Und in der Tat sind viele der Teilnehmer nicht zum ersten Mal bei einem der LehrgĂ€nge und internationale WettkĂ€mpfer sind ebenfalls oft darunter.

Abschlussfoto am Tag der Nage no Kata

Die Nage no Kata war mit 75 Teilnehmern erneut am besten besucht. Ìshima Sensei ist 2-maliger Weltmeister in Nage no Kata. Als Tip fĂŒr die gute Demonstration von Kata, wie auch fĂŒr den Alltag, sprach Sameshima an diesem Tage zu dem Begriff shosa 所䜜, einem Begriff, der grob mit „Gebaren“, „Bewegung im Raum“ oder „Art sich anderen gegenĂŒber zu verhalten“ ĂŒbersetzt werden kann. Shosa kann aber etwa auch die Bewegungen eines Kabuki Schauspielers auf der BĂŒhne beschreiben kann. Dabei stellte er den feinen, aus seiner Sicht jedoch entscheidenden Unterschied zwischen kirei shosa ç¶șéș— 所䜜 und utsukushii shosa çŸŽă—ă„æ‰€äœœ, also den Unterschied zwischen ‚hĂŒbsch anzuschauenden‘ (kirei) und ‚wirklich schönen‘ (utsukushii) Bewegungen heraus. Letztere seien nĂ€mlich von einem inneren Prinzip getragen, und man spĂŒre bei einer Kata-VorfĂŒhrung, ob nur eine Form oder das dahinterliegende Prinzip vorgefĂŒhrt werde. Er bat darum, beim Training, wie auch im tĂ€glichen Leben ‚echte Schönheit‘ dabei zu zeigen. Shosa reicht von der Art, sich auf der Matte zu bewegen, bis dahin die Sportlatschen am Mattenrand ordentlich zu platzieren.

所  䜜

sho   sa

„Raum, Ort“ + „Schaffen, herstellen“ – Die Art sich anderen gegenĂŒber zu verhalten und im Raum zu bewegen.

 


Ein weiterer von Sameshima angesprochener Punkt an diesem Tag war, wie auch bereits in vergangenen Jahren, der sinnvolle Aufbau von beim Lernen von JĆ«dƍ-Techniken – bezogen sowohl auf Wettkampftechniken, wie auch auf Kata. Am Beispiel eines Tai-Otoshi erlĂ€uterte er den dreistufigen Prozess, in dem man vorgehen solle. Jede Technik habe zunĂ€chst einen Rhythmus, den man verstehen mĂŒsse, in diesem Fall 1
.2.3. und in welchem die Bewegungssegmente funktionieren. Auch Kata-Techniken haben einen solchen Rhythmus, den beide Partner zunĂ€chst lernen mĂŒssten. Als nĂ€chstes folgt die Form (katachi), also die Hand- und Fußbewegungen, die zunĂ€chst einzeln geĂŒbt und spĂ€ter kombiniert werden. Im dritten Schritt, wenn also alle Körperteile im richtigen Rhythmus die Form ausfĂŒhren können, und als Einheit funktionieren erfolgt das Upgrade: Schnelligkeit und Kraft können nach und nach hinzugefĂŒgt werden.

Dieses Prinzip lĂ€sst sich sowohl auf Übungen mit Partner bei Wettkampftechniken und Kata, als auch auf individuelle Übungen anwenden.

Am Sonntag wurde die Kƍdƍkan Goshin-jutsu geĂŒbt, die Selbstverteidigungstechniken enthĂ€lt. Wer diese Kata kennt weiß, dass bei vielen Entwaffnungs- und Verteidigungstechniken zumeist der Angreifer in eine Position gebracht werden soll, in der er schließlich aufgibt. Um dies zu erreichen, erklĂ€rte Sameshima, sei hier das wichtigste Prinzip, den Partner nicht durch Kraft, sondern durch die richtige Körperbewegung, (tai-sabaki) zu lenken. Im Falle eines Kata-Gatame aus dem Stand bedeutet dies, den Hebel durch mehrere Gleitschritte und Zugbewegung zu begleiten, statt auf der Stelle stehend mit aller Kraft zu versuchen, den Hebel durchzusetzen.



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JĆ«        yoku        gƍ      wo     seisu

 

„Weich und flexibel dominiert hart und fest“ – Japanische Redensart

 


Dahin gehend erlĂ€uterte er weiterhin, dass, da jeder Körper anders gebaut sei, natĂŒrlich die Schrittvorgaben aus den Kata-LehrbĂŒchern nur Richtwerte seien und es kein „one size fits all“ gĂ€be. Alter, GrĂ¶ĂŸe, Körperkraft und FĂ€higkeiten unterscheiden sich. Ohnehin erklĂ€rte er fast an jedem Seminartag, dass die allzu strikte Festlegung auf richtig und falsch bei Kata nur dafĂŒr gemacht sei, bei WettkĂ€mpfen einen klaren Sieger festzustellen. Viel wichtiger sei es, die zu Grunde liegenden Prinzipen zu verstehen und zu ergrĂŒnden.

Teilnehmer der Katame no Kata Links oben Sameshima und Ìshima Sensei sowie Thomas JĂŒttner, in der Mitte Frau Machulik, Herr Fritz und Herr Kitaura, v.l.n.r


Wie schon erwĂ€hnt, startete jeder Seminartag mit einer spezifischen ErwĂ€rmung, passend zur die jeweiligen Kata. Am dritten Seminartag der Katame no Kata wurde daher ein besonderer Fokus auf die Bewegung am Boden gelegt und verschiedene Varianten der Krebsbewegung (ebi) besprochen. SpĂ€ter an diesem Tag besuchte der Gesandte der Botschaft Japans in Berlin, Kitaura Yasuhiro, bereits zum zweiten Mal das Kƍdƍkan Kata-Seminar. Zudem kamen Thomas JĂŒttner, PrĂ€sident des JVB, Bezirksstadtrat Benjamin Fritz und Frau Ersek vom Sportamt Berlin.

FĂŒr diejenigen, die an allen vier Tagen teilnahmen, bot die JĆ« no Kata einen runden Abschluss des Lehrgangs. Passend zur Kata fand hier eine ĂŒberaus grĂŒndliche Dehnung aller Körperteile zur ErwĂ€rmung statt. Am letzten Abend fand, organisiert durch den gastgebenden Verein K.i.K. Berlin, dem ich auch angehöre, ein gemeinsames Grillen statt.

An allen vier Tagen bot Sameshima Sensei, der selbst seit vielen Jahren Kalligraphie praktiziert, in den Pausen Interessierten die Möglichkeit, selbst einmal den Pinsel in die Hand zu nehmen und die Zeichen fĂŒr 柔道 aufs Papier zu bringen. Wenn dies auch nicht zum Standardprogramm des Seminars gehörte, so war es doch eine willkommene Bereicherung und ein Einblick in die japanische Kultur.
 
Insgesamt war es eine schöne und lehrreiche Veranstaltung. Mein Dank gilt neben den Lehrern des Kƍdƍkan insbesondere Astrid Machulik fĂŒr Ihre unermĂŒdliche Organisationsarbeit, dem Verein K.i.K. Berlin als Gastgeber, dem und dem JVB als Ausrichter sowie allen Teilnehmern und Helfern. (Maxim Paul)